Tag 11: Den Oberdöspaddel würde ich sofort über Bord schmeißen
Montag, 24.01.2022, im Mittelmeer, südwestlich von Almeria
(Lieber ohne Bild)
Habt ihr mal bei ordentlich Wellengang versucht, zu duschen? Die Wellen waren sehr chaotisch und so war das Duscherlebnis in unsere Nussschale sehr schwankend. Leider kann man sich auch nirgends richtig festhalten, es ist ja doch alles irgendwie nicht so robust, wie zu Hause mit echten Fliesen und so. Nun ja, hat trotzdem geklappt.
Werft den bösen Schurken über Bord, diesen Dösel: Eine Irrfahrt
Seit Beginn der Reise hat mich etwas genervt, dass unser AIS-Signal (Schiffsinfos, die auch in MarineTraffic und Vesselfinder sichtbar sind) nicht zuverlässig gesendet wird. Nach ein paar Stunden wurde der Sendebetrieb immer wieder eingestellt. Wir konnten zwar weiterhin alle Schiffe in der Umgebung sehen, diese uns aber nicht.
Ich hatte gerade Schicht, saß nachmittags in unserem Salon, draußen war es viel zu nass von der Gischt der tobenden See. Ich habe unserem Voyagersystem das Internet verpasst (mit meinem Router verbunden) und da erscheint doch tatsächlich folgendes, sehr verlockendes Bildschirmchen:
Ein verlockendes Update des Herzsystems (inkl. AIS)! Natürlich macht man niemals ein Update der Schiffselektronik vor längerer Fahrt: „Never change a running system!“, sondern erst nach einer Fahrt, wenn das Schiff sicher im Hafen liegt und ausführlich vor der nächsten Langfahrt getestet werden kann. Und schon gar nicht gar niemals nicht während der Fahrt!
Wir waren gerade auf Kollision mit einem Abschleppschiff von vorne rechts, also musste ich ausweichen (rechtzeitig und deutlich für den anderen erkennbar). Es waren noch 20 Minuten Zeit, bis zum Aufeinandertreffen.
Komisch, das B&G das Update auch während der Fahrt anbietet? Ein Schonmal-Herunterladen, kann ja nicht schaden, oder? Nein, das ist absurd, nicht, dass das dann automatisch startet oder in einem Zwischenzustand den Dienst quittiert? OK, ein Download müsste klappen. Puh, Glück gehabt: klappt auch.
Nun auf gar keinen Fall den Update-Knopf drücken, wir sind ja immer noch auf Kollisionskurs in der ungemütlichen See. Das muss ich auch den anderen bei Schichtübergabe sagen: Hey guys, bitte kein Update, klaro! Machen die aber bestimmt eh nicht. So blöde kann doch niemand sein. Hoppsala, bin ich ausgerutscht oder mutig dämlich: Der Update-Knopf gedrückt und angespannt auf das Ergebnis gewartet. Die Fortschrittsbalken laufen so vor sich hin. Erstes Update fertig. Moment, was macht denn unsere Voyager, sie fährt Kreise und bewegt sich nun wirklich wie eine unmotivierte Nussschale in rauher See.
Ich also schnell raus (nur im Pullover) und ordentlich Meerwasserduschen-bekommend auf die Brücke: Das Ruder steht fest, lässt sich nicht mehr bewegen. Der Autopilot hat es in der Neutralstellung eingerastet und wir drehen uns lustig in Kreisen. Was wohl das Abschleppschiff denkt, welche Kursänderung wir hier klar und deutlich anzeigen wollen? Mist, der Autopilot lässt sich nicht stoppen, das Ruder bleibt blockiert. Ich will auch nichts mit brachialer Gewalt zerstören. Die anderen unter Deck rufe ich jetzt bestimmt nicht, das ist mir hier alles viel zu peinlich.
Über die beiden Maschinen kann ich das Schiff ja auch steuern, je nachdem, wie stark die linke und wie stark die rechte läuft, kann ich mich drehen oder auch geradeausfahren. Gemacht getan.
Die Updates sind einige Minuten später durch und ich kann den normalen Kurs wieder fortsetzen und nun dem Abschleppschiff durch klare Kursänderung mein Ausweichmanöver noch rechtzeitig anzeigen.
Anthony kommt später hoch: Was hast du gemacht, als du dich gedreht hast und an den Maschinen mal links, mal rechts chaotisch rumgefummelt hast? Nun ja, sage ich, ich würde mich jetzt über Bord schmeißen….
Etwas "not amused" grummelte er mürrisch etwas in seinen imaginären Bart: "Nun ja, ihr IT-Guys wisst hoffentlich, was ihr da treibt...". Ja, wir IT-Fuzzies tun zumindest immer gern so ;-)